“Sprache, Sprachbewusstsein und Sprachkultur sind die Themen, denen ich mich mit Leidenschaft und Humor widme.”

(Foto: Dominik Buschardt)

Porträt: Aus Liebe zur Sprache

„Der Mensch ist Mensch durch Sprache“, hat Wilhelm von Humboldt, der Begründer der modernen Sprachwissenschaft, einst gesagt. Das bedeutet, dass die Sprache für den Menschen nicht nur Ausdrucksmittel ist, sondern auch Denkwerkzeug. Man kann sich die Bedeutung der Sprache daher nicht groß genug denken. Viele Menschen nehmen die Sprache als gegeben hin. Sie ist aber ein Geschenk, das uns anvertraut ist und der Pflege bedarf. In Frankreich ist das Bewusstsein von Wert und Reichtum der Sprache im öffentlichen Bewusstsein tief verankert. Das Deutsche hingegen wird auch in der eigenen Sprachgemeinschaft oft als schwer, umständlich, kaum lernbar beschrieben. Übersehen werden dabei oft die großen Vorzüge, die das Deutsche als auszeichnet – eine Frage des Sprachbewusstseins und der Sprachkultur.

Heiteres Gespräch mit Bettina Tietjen in der Talksendung DAS! des NDR am 7.2.2023

Sprachbewusstsein und Sprachkultur sind die großen Themen, denen sich Roland Kaehlbrandt zeit seines Lebens in vielfältiger Weise widmet. Bereits als Student der Romanistik und Germanistik an den Universitäten Köln und Paris verfasste er Sprachkritiken für führende Tageszeitungen. Der Wandel des Sprachgebrauchs faszinierte ihn. Die Kolumne, also die kurze prägnante Form mit deutlicher Pointe, wurde seine Leidenschaft. Schon bald machte ihm ein Verlag ( die DVA) das Angebot, daraus sein erstes Buch für ein breites Publikum zu machen: „Deutsch für Eliten, ein Sprachführer.“ Es sollte das erste in einer Reihe von fünf sprachkritischen Büchern für ein breiteres Publikum werden, die sich fundiert, aber auch leidenschaftlich mit dem Wandel der deutschen Sprache befassen. Am 29.9.2022 erschien seine „Liebeserklärung“ an die deutsche Sprache, die die großen Vorzüge der deutschen Sprache darstellt (Piper Verlag). Es ist ein Buch für alle, die Deutsch unterrichten, lernen oder sprechen. Wieder geht es Kaehlbrandt darum, das öffentliche Bewusstsein für den großen Reichtum zu schärfen, den die deutsche Sprache bietet: ihre leichtgängige Wortbildung mit einem riesigen Wortschatz und ihrem elastischen Satzbau, aber auch ihre elastische Wandlungs- und Integrationsfähigkeit. Das Buch stand sechs Monate lang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste Taschenbuch/ Sachbuch (Bestplatzierung: Platz 5). Es erreichte in sechs Monaten sieben Auflagen. 50 Lesungen im In- und Ausland (Rom, Mailand, Madrid, Paris, Luxemburg, Antwerpen, Tartu) schlossen sich an. Das nächste Buch ist bereits in Arbeit. Als akademischer Lehrer an der Alanus-Hochschule für Kunst und Gesellschaft bei Bonn gibt Kaehlbrandt diese Einsichten seinen Studierenden weiter und nimmt zugleich neugierig, interessiert und wachsam wichtige Impulse des Sprachwandels von den jungen Leuten auf. (So hat es ihn besonders gefreut, dass eine seiner Studentinnen für die „happy hour“ das schöne Wort „Gunststunde“ erfand.)

Neben seinem publizistischen Wirken als Sachbuchautor und als akademischer Lehrer ist Kaehlbrandts bildungspraktisches Engagement zugunsten einer bestmöglichen Sprachbeherrschung von jungen Menschen zu nennen. Die beunruhigenden Ergebnisse der PISA-Studien zum sprachlichen Können von Schülerinnen und Schülern in Deutschland veranlassten ihn früh, sich mit aller Kraft für konkrete Verbesserungen einzusetzen. Dabei kam ihm entgegen, dass ihn seine berufliche Laufbahn in Stiftungen führte. 1999 warb ihn die Gemeinnützige Hertie-Stiftung in Frankfurt von der Bertelsmann Stiftung ab. Den Neuaufbau dieser großen Stiftung konnte er als Geschäftsführer maßgeblich mitgestalten. Der Einsatz für Sprachbeherrschung und Sprachkultur stand dabei im Vordergrund. Die Vermittlung von guten Deutschkenntnissen insbesondere an Zuwandererkinder in den Grundschulen war Thema des bis heute in ganz Hessen wirksamen Sprachförderprojekts „Deutsch & PC“, das gemeinsam mit dem hessischen Kulturministerium zunächst im Frankfurter Gallus lanciert wurde. Seine Erfolge sorgten für rasche Verbreitung an etliche Grundschulen. Ein weiteres großes Projekt, das Kaehlbrandt auf den Weg brachte, war der Verbindung von Sprachbeherrschung und gesellschaftlicher Teilhabe gewidmet:

Roland Kaehlbrandt (Wonge Bergmann)

Bild: Wonge Bergmann (rechtefrei nur für diese Website)

der „Bundeswettbewerb Jugend debattiert“. Innerhalb weniger Wochen gelang es ihm mit seinem Team, für die Idee eines öffentlichen Debattenwettbewerbs mit angeschlossenem Trainingsprogramm 16 Kultusministerien und vier große Stiftungen zu gewinnen. Die Übernahme der Schirmherrschaft durch den Bundespräsidenten war ein Durchbruch. Heute nehmen jährlich über 200.000 Schülerinnen und Schüler an dem Wettbewerb teil. Auch gelang es Kaehlbrandt, den Wettbewerb international auszuweiten, und zwar in deutscher Sprache. Heute findet „Jugend debattiert international“ in 38 Ländern auf Deutsch statt. Damit konnte ein nachhaltiger Beitrag zur deutschsprachigen Debattenkultur geleistet werden.

Im Jahr 2006 wechselte Kaehlbrandt in den Vorstand der neu gegründeten Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main, deren Vorsitzender er von 2008 bis zum 1.10.2022 war. Die Stiftung wurde von der traditionsreichen Polytechnischen Gesellschaft e.V. errichtet und wirkt im Geist der Aufklärung. Die Förderung von Sprachbeherrschung und Sprachkultur spielen in ihrer Arbeit denn auch eine große Rolle. Kaehlbrandt konnte an seine bisherigen Erfahrungen anknüpfen und initiierte im Rahmen der Stiftung ein großes Sprachförderprojekt, den „Deutschsommer“. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass ein hoher Prozentsatz von Grundschülern mit Migrationshintergrund eine intensive außerschulische Unterstützung benötigt, wenn die Landessprache Deutsch so gut verankert werden soll, dass sie kein Hindernis auf dem weiteren Bildungsweg der Kinder ist. Die dreiwöchigen „Ferien, die schlau machen“, kombinieren Deutschunterricht, Theaterspiel und ein sprachanregendes Freizeitangebot. Angesichts der rasch sichtbaren Erfolge weitete sich das ursprünglich nur in Frankfurt geplante Projekt in Zusammenarbeit mit der Stadt Frankfurt und dem Land Hessen aus. Derzeit wird es in 23 Städten angeboten. Allein in Frankfurt profitierten bislang über 2.000 Kinder von dem Projekt.

Die schlechten Ergebnisse der Bildungsstudien bezüglich der Rechtschreibung von Schülerinnen und Schülern rief die Stiftung im Jahr 2012 auf den Plan. Kaehlbrandt brachte aus seiner Zeit in Frankreich die Idee eines heiteren, sportlichen und lehrreichen Rechtschreibwettbewerbs mit, um die Wertschätzung richtigen Schreibens in Deutschland öffentlichkeitswirksam zu fördern: „Frankfurt schreibt“. In Zusammenarbeit mit dem hessischen Kultusministerium und der Goethe-Universität hat die Stiftung zusätzlich eine „Kompetenzstelle Orthografie“ lanciert, die sich der Fortbildung von Lehrkräften im Bereich Rechtschreibung widmet. Außerdem bietet sie Rechtschreibtrainings für Grundschulen und Mittelstufen an. Unter der Leitung von Kaehlbrandt hat die Stiftung Polytechnische Gesellschaft damit das umfassendste Programm sprachlicher Bildung unter den deutschen Stiftungen aufgebaut. 

Im April 2023 wurde Kaehlbrandt durch Kabinettsbeschluss der Hessischen Landesregierung in den Vorstand der Hessischen Landesstiftung Miteinander in Hessen berufen. Die Stiftung fördert mit bürgernahen Projekten den Zusammenhalt in Hessen. Dort kümmert er sich um den Aufbau eines Sprachprojekts: „Lass mal reden“, ein Gesprächsformat, zum Einüben und Erleben aufgeklärter Gesprächskultur. Im Juni 2023 wurde Kaehlbrandt in den Beirat der Heraeus-Bildungsstiftung berufen. Die Stiftung fördert Lehrerfortbildungen und die Qualifizierung von Schulleitungen.

Bild: Stefan Wildhirt

„Ich habe das große Glück gehabt, die Förderung von Sprachbeherrschung und Sprachkultur nicht nur publizistisch einzufordern, sondern sie im Rahmen meiner langjährigen Stiftungsarbeit auch praktisch und nachhaltig verwirklichen zu können“, so Kaehlbrandt. „Unsere schöne und so lebendige Sprache hat es verdient. Ich verstehe mich zuallererst als Sprachbotschafter. Es ist mir eine große Freude, bei meinen vielen Lesungen Menschen unterschiedlichster Herkunft und Prägung zu begegnen, die aber eines eint: die Liebe zur Sprache.”